Obstgehölze

Unter den einst landschaftsprägenden Strukturelementen in unserer Region, deren Bestände in den letzten Jahrzehnten besonders drastische Verluste erleiden mussten, nehmen die auf eine reichhaltige Vergangenheit und Tradition zurückblickenden Obsthochstämme zweifellos einen traurigen Spitzenrang ein.
Wurden etwa kurz vor Ausbruch des 1. Weltkrieges im Gebiet der Stadt Dransfeld als auch ihren Außendörfern noch rund 13.500 Obstbäume gezählt, sind hiervon über die Jahre – unbenommen stellenweiser Nachpflanzungen – vielfach nur noch bescheidene Reste erhalten geblieben. Ein Großteil der Bäume, darunter manch alte und selten gewordene Sorte, ist stark überaltert und tendenziell abgängig.
Fehlende, oft aber auch unfachgemäße Pflege verkürzen zusätzlich deren Lebenserwartung. Jedem stärkeren Sturm fallen so einige der alten Baumveteranen zum Opfer. Noch häufiger ist es leider aber menschliche Ignoranz, die den Bestand aktuell immer mehr schrumpfen läßt. Dabei beschränkt sich der Rückgang nicht alleine nur auf flächenhafte Komplexe (Obstgärten, Streuobstwiesen), sondern erstreckt sich gleichermaßen auf Obstgehölze in linearer Anordnung (Obstalleen) sowie einzeln in der Landschaft stehende, nicht selten markante Obstbaumsolitäre.

Verloren geht damit weit mehr als nur ein bedeutsamer Bestandteil unserer landschaftlichen Vielfalt, die über viele Generationen hinweg das Bild ganzer Regionen maßgeblich mitprägte. Mit den Obstgehölzen verschwinden auch zahlreiche charakteristische Tier-, Pflanzen- und Pilzarten, die in spezieller Weise von deren Blüten, Früchten, Blättern, Rinde, Geäst oder gar von ihrem abgängigen Holz abhängen. Stark rückläufig sind dabei keineswegs nur auffällige, noch vergleichsweise bekannte und zudem hochgradig bedrohte Arten wie etwa Steinkauz, Ortolan, Wendehals, Neuntöter, Wiedehopf, Garten- und Siebenschläfer sowie diverse Fledermausarten. Hinzu kommen unzählige kleinere, oft eher unscheinbare Arten, deren Spezialisierungs- und Bindungsgrad an Obstgehölze bzw. Obstbiotope nicht selten noch weit enger entwickelt ist – darunter vor allem Schmetterlinge, Wildbienen, Ameisen, Blatthornkäfer und andere Insekten. Dabei zeigt sich, daß die Zahl und Vielfalt der Nutznießer mit zunehmendem Durchschnittsalter der Bestände steigt, weshalb namentlich den stattlichsten, hochbetagten Baumveteranen heute die höchste ökologische Wertigkeitsstufe und Attraktivität zugesprochen wird.

Obstbäume in der freien Landschaft haben keineswegs nur Bedeutung für den Artenschutz. Durch die langzeitliche Speicherung von CO2 leistet jedes einzelne Exemplar außerdem einen eigenen Beitrag zum Klimaschutz, der vor allem in der Summe an Relevanz gewinnt.

Bedroht ist nicht zuletzt der genetische Reichtum, den das kulturelle Erbe unserer einstmals mehr als 3.000 heimischen Obstsorten in sich birgt. So bedeutet der schleichende Abgang der letzten Exemplare manch traditionsreicher lokalen Obstsorte – nicht selten Ergebnis Jahrhunderte langer Züchtung und Pflege – auch eine Verarmung des uns verfügbaren Genomreservoirs und damit den möglicherweise unwiederbringlichen Verlust wichtiger züchterischer Optionen für die Zukunft des kommerziellen wie auch des nicht-kommerziellen Obstanbaus.

Um dem vielfach auch vor Ort unübersehbaren Abwärtstrend Einhalt zu gebieten, setzen sich der NABU Samtgemeinde Dransfeld und einzelne seiner Mitglieder daher auf verschiedensten Ebenen für wirksame Gegenmaßnahmen ein. Diese bestehen zum einen in der Erhaltung und Pflege der noch überbliebenen Obstbaumaltbestände, zum anderen in der konsequenten Nach- bzw. Neuanpflanzung junger Obstgehölze der traditionellen Arten und Sorten unserer Region.

Obstbaumpflege

Anders als die Mehrzahl unserer heimischen Baumarten, die züchterisch nahezu unbeeinflusst und daher fast ausnahmslos alleine mit ihrer Wildform in der freien Landschaft vertreten sind, haben Apfel-, Kirsch-, Birn- und Pflaumenbäume sowie andere Kulturobstarten über viele Generationen manchen Eingriff des Menschen in die Zusammensetzung ihres Erbgutes erfahren. Teils aus natürlicher Selektion, überwiegend aber aus planmäßig betriebener Zuchtauswahl gingen so aus den wilden Vorfahren unserer Obstgehölze (Wildapfel, Holzbirne, Vogelkirsche etc.) eine bis heute nur annähernd erfaßte Vielfalt an eigenständigen Kulturobstsorten hervor. Mit fortschreitender Domestikation stiegen jedoch nicht nur Qualität und Ertrag der Früchte. Damit einhergehend wuchs auch die Anfälligkeit gegenüber verschiedensten Umwelteinflüssen: Frost, Wind- und Schneedruck, aber auch überreicher Fruchtbehang setzen den Obstbäumen in besonderer Weise zu und vermindern so deren Standfestigkeit, Vitalität und Lebensdauer.
Gerade die Erhaltung unserer Kulturobstgehölze erfordert daher einen nicht unerheblichen Betreuungsaufwand, welcher jenen anderer Laubbäume mitunter erheblich übersteigen kann. Ein regelmäßiger, im Abstand von 3–5 Jahren fachgerecht durchgeführter Verjüngungs- und Pflegeschnitt trägt somit maßgeblich dazu bei, Folgeerkrankungen (z.B. Pilzbefall), vorzeitiger Vergreisung oder gar dem verfrühten Absterben eines Obstbaumes aktiv entgegenzuwirken. Obstbaumpflege bedeutet daher einen realen Beitrag zum Landschafts- und Artenschutz!

Neupflanzung von Obstgehölzen

300 Jahre wachsen sie, 300 Jahre stehen sie, 300 Jahre vergehen sie“ – so umreißt eine alte Volksweisheit den fast biblischen Lebenshorizont unserer ältesten heimischen Baumexemplare.
Doch was auf unsere deutschen Eichen, Linden oder die Eibe zutreffen mag, die im Einzelfall nahezu ein Jahrtausend überdauern und dabei unzählige Menschengenerationen kommen und gehen sehen, liegt bei anderen Baumarten unserer Gefilden weit unterhalb dieses Horizontes. Nicht nur Weiden, Pappeln, Birken und Erlen – auch die vom Menschen domestizierten Obstbaumarten müssen nach diesem Vergleichsmaßstab eher als verhältnismäßig kurzlebig gelten.
Mit durchschnittlich 80–120 Jahren deckt sich die natürliche Lebenserwartung unserer Apfel-, Birnen-, Kirsch- und anderer Kulturobstgehölze vielmehr zu einem guten Teil mit der von uns Menschen, sofern es – im einen wie im anderen Fall – das Schicksal nicht anders bestimmt.
Auch bei bester Pflege – Schlüsselfaktor für ein langes Baumleben und reiche Fruchterträge – macht es somit Sinn, beizeiten an den Ersatz für die abgängigen Baumveteranen zu denken und mit kontinuierlichen Nachpflanzungen für eine ausgeglichene Altersstruktur zu sorgen.

Im Wissen um ihre landschaftsökologische und kulturhistorische Bedeutung bemüht sich der NABU Dransfeld daher bereits seit vielen Jahren, die anhaltenden Verluste in den mittlerweile stark überalterten Obstbaumbeständen, die in den letzten Jahrzehnten nicht nur hier in unserer Region immer dramatischere Ausmaße annehmen, zumindest stellenweise zu kompensieren.

Mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union und der Niedersächsischen Bingo-Umweltstiftung, aber auch aus vereinseigenen Mitteln wurden so im Laufe der Jahre etwa 180 Exemplare verschiedenster Arten und Sorten von Kulturobstgehölzen neu an- bzw. nachgepflanzt. Entsprechend der vorgegebenen Standortverhältnisse fanden hierbei vor allem Äpfel, Birnen und Zwetschen Verwendung. Wo die standörtlichen Gegebenheiten es möglich und sinnvoll erscheinen ließen, kamen fallweise aber auch Walnüsse, Süßkirschen und Quitten zu ihrem Recht – wenn auch in geringeren Mengenanteilen. Lediglich auf Sauerkirschen wurde bisher gänzlich verzichtet, sprachen diverse schlechte Erfahrungen vor Ort doch klar gegen diese Obstart.
Besonderer Wert wurde dafür auf heimisches Wildobst gelegt, bleiben diese – zum Teil selten gewordenen, ökologisch aber sehr wertvollen – Arten bei Naturschutzprojekten doch oftmals unberücksichtigt oder werden zumindest stark vernachlässigt. So finden sich z.B. in der Offenlandschaft bundesweit kaum mehr als eine Handvoll Exemplare der Elsbeere (Sorbus torminalis), so dass diese einheimische Baumart – und auch dort nur mit wenigen Individuen – weitgehend auf den Wald, einige städtische Parkanlagen und botanische Gärten beschränkt bleibt. Ähnliches gilt für den Speierling (Sorbus domestica), der selbst vielen Naturschützern kaum bekannt ist und deshalb bei Pflanzmaßnahmen schlichtweg vergessen wird. Aber auch noch nicht so seltene Wildobstgehölze wie beispielsweise die Eberesche (Sorbus aucuparia), die Frühe Traubenkirsche (Prunus padus) oder die Wildkirsche (Prunus avium) geraten – trotz ihres immensen ökologischen Wertes als Bienentrachtquelle, Raupenfutterpflanze und ihrer von vielen Vogelarten hochgeschätzten Früchte – bei Bepflanzungsprojekten oft genug ins Hintertreffen.

Vorrangige Standorte für die Neuanpflanzungen sind vor allem NABU-eigene Grundstücke im Niemetal, die im Rahmen des Nieme-Projektes eine gezielte ökologische Aufwertung erfahren – nicht zuletzt auch in Gestalt von Streuobstkomplexen, Obstbaumalleen und Solitärbäumen.
Aber auch einige private Flächen, die uns von Naturfreunden für Maßnahmen des Naturschutzes eigens zur Verfügung gestellt wurden, konnten in diesem Zuge mit neuen Obstbäumen bereichert werden, sei es mit nur wenigen Einzelexemplaren oder mit kleineren Gruppen.

In den vergangenen 10 Jahren entstanden so vor allem in der Gemeinde Niemetal, aber auch im Stadtgebiet von Dransfeld bislang sechs größere sowie mehrere kleine Komplexe mit neu angepflanzten Obstbäumen. Dank der Förderung durch das Streuobst-Jubiläums-Projekt der Niedersächsischen Bingo-Umweltstiftung kamen im Zeitraum von Ende 2014 bis April 2017 weitere 85 Obstbäume verschiedenster Arten hinzu, so dass der bereits vorhandene Baumbestand mehr als verdoppelt werden konnte.

Alte und regionale Obstsorten

Obwohl viele gute Gründe für den Erhalt unserer traditionellen und vor allem auch unserer regionalen Obstsorten sprechen, ist es gleichwohl nicht immer leicht, die für den jeweiligen Standort geeignete(n) Sorte(n) zu finden. Erschwerend hinzu kommt, daß längst noch nicht alle Obstsorten erfasst und identifiziert sind, die in früheren Zeiten in der Region um Göttingen sowie den benachbarten Regionen im näheren und weiteren Umkreis einmal angebaut worden waren. So mancher als eigenständige Sorte erkannte Obstbaumveteran lässt sich selbst von ausgewiesenen Fachleuten – den Pomologen – keiner der bekannten Sorten zuordnen und muss daher zunächst namenlos bleiben bzw. kann nur behelfsmäßig benannt werden. Andere alte Lokalsorten dürften wiederum bereits verschwunden sein, lange bevor sie erfasst werden konnten.

Die nachfolgende Auslistung von Obstbaumsorten, die sich für die Region Göttingen generell empfehlen lassen, erhebt somit keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit, sondern stellt lediglich eine Auswahl vor allem der geläufigeren und in den Baumschulen ggf. erhältlichen Sorten dar. Unberücksichtigt bleiben mussten auch die diversen Synonyme, die nicht wenige Sorten tragen.
Trotz der fallweise viele Generationen zurückreichenden Verwendung bietet die Nennung in der Liste zudem keinerlei Garantie dafür, dass die erwähnte Sorte an jedem beliebigen Standort gleichermaßen gut gedeiht. Hier gilt es, die von Fall zu Fall höchst unterschiedlichen Boden-, Klima- und Wuchsverhältnisse zu beachten, die sich in unserer Region vor Ort ergeben können.